Eigentlich hatte ich am Sonntag diesen Artikel ganz anders geschrieben. Aktuelle Ereignisse haben mich gezwungen, ihn zu bearbeiten: Die Nachricht nämlich, dass ein gewisser italienischer Journalist, der in Deutschland lebt, öffentlich zugab, zweimal gewählt zu haben, einmal als in Deutschland lebender Italiener und das zweite Mal als EU-Bürger.

Ich habe gewählt! Das wäre an sich nicht der Rede wert, wenn ich nicht als Italiener in Deutschland in den extra für sie eingerichteten Wahllokalen gewählt hätte.

Um das Wichtigste vorwegzunehmen: Ich habe nur einmal gewählt!

Als vor zwei Jahren in Italien die Parlamentswahl bevorstand, hatte ich von meinem Konsulat keine Wahlunterlagen für die Briefwahl erhalten. Und als ich nachfragte, war es schon zu spät für eine Sendung der Wahlzettel. Ich hätte am Wahlsonntag nur direkt in den Lokalen des italienischen Konsulats wählen können. Da ich jedoch keine guten Erinnerungen aus meinen früheren Konsulatsbesuchen hatte und mir den Sonntag nicht verderben lassen wollte, bin ich nicht wählen gegangen.

Für die Europawahlen habe ich diesmal gleich zwei Wahlbenachrichtigungen bekommen: die eine vom Kreisverwaltungsreferat und die andere vom italienischen Generalkonsulat in München.

certificato elettorale

Ich hätte also jetzt die vor zwei Jahren verpasste Wahl nachholen und diesmal gleich zweimal wählen können! Auf der Rückseite der Wahlbenachrichtigung des Konsulats stand aber:

SI PUÒ VOTARE UNA VOLTA SOLA: chi ha scelto di votare per i membri del Parlamento Europeo dello Stato di residenza non può votare anche per i membri del Parlamento Europeo spettanti all’Italia.” (MAN DARF NUR EINMAL WÄHLEN: Wer sich entschieden hat, für die Abgeordneten des Europäischen Parlaments des Landes zu stimmen, in dem er lebt, darf nicht auch noch die Abgeordneten des Europäischen Parlaments wählen, die Italien zustehen.)

come_si_vota

Dabei tun sie so, als würde jemand es merken, wenn zweimal gewählt wird. Die haben vor zwei Jahren nicht einmal gemerkt, dass reihenweise italienische Bürger, die in Deutschland schon seit Jahrzehnten leben, Wahlunterlagen hätten bekommen sollen. Würde ein „ehrlicher“ Bürger wie unser Journalist nicht von selbst zugeben, zweimal gewählt zu haben, fiele es wirklich niemandem auf. Mir persönlich reicht es völlig aus, einmal zu wählen, und ich entscheide mich für die Wahl der italienischen Europaabgeordneten.

Für die Europawahl wurden einige Wahllokale bei mir in der Nähe in den Räumen einer italienisch-deutschen Schule eingerichtet. Dort kann man am Freitag, dem 24.05. von 17:00 bis 22:00 Uhr oder am Samstag, dem 25.05. von 8:00 bis 18:00 Uhr wählen. Ich nehme mir vor, am Samstag gleich in der Früh vor dem Einkaufen meine Bürgerpflicht wahrzunehmen.

Als ich hinfahre, sehe ich schon von weitem viele Leute vor einem Tor stehen. Ich fahre langsam am Tor vorbei. Ja, die Hausnummer stimmt, und die da draußen sind bestimmt alle Italiener. Wer hätte das gedacht, dass so viele am Samstag schon um sieben Uhr aufstehen würden, um dann gleich um acht als erste wählen zu können. So ein Verhalten kenne ich zwar von den Deutschen, aber von meinen Landsleuten eigentlich nicht. Es hat sich aber in den letzten Jahren auch in Italien viel geändert … Viele von ihnen müssen die sogenannten „cervelli in fuga“ (Hirne auf der Flucht) sein – damit gemeint sind eigentlich „Akademiker“ –, die in den letzten Jahren massenweise Italien verlassen haben und auch nach Deutschland geströmt sind.

Ich suche mir einen Parkplatz, laufe zum Tor und merke erst jetzt, warum alle dort stehen. Es ist zwar schon 8:30 Uhr, aber das Tor ist noch geschlossen. Es war doch klar! Meine Landsleute kriegen es einfach nicht hin, etwas richtig zu organisieren. Wenn man es mit Italienern zu tun hat, braucht man vor allem Zeit, viel Zeit. Es dauert immer alles viel länger, als man denkt. Man muss sich halt aufs Warten einstellen. Das ist eine der ersten Grundregeln!

[Hier finden Sie den 2. Teil des Beitrags „Ich habe gewählt! (Teil 2)„]