In italienischen Zeitungen liest man gelegentlich Meldungen wie diese:

Lotta ai portoghesi, arrivano i Carabinieri. L’esperienza di Gubbio (Kampf den Portugiesen. Die Karabiniers kommen. Die Erfahrung von Gubbio).

Was die Bürger von Gubbio gegen die Portugiesen haben? Gar nichts! Es ist nur so, dass in der italienischen Sprache „portoghese“ auch Schwarzfahrer bedeutet. Ein anderes Wort für Schwarzfahrer haben wir nicht. Nicht sehr erfreulich für die Portugiesen, das gebe ich zu. Mir würde es auch nicht gefallen, wenn im Deutschen das Wort Italiener ein Synonym von Einbrecher oder Taschendieb wäre! Es ist aber seit über 300 Jahren so, und, wenn ein Italiener „non fare il portoghese!“ sagt, denkt er keineswegs an die Einwohner Portugals, die man nicht nachahmen soll, und will sie auch nicht beleidigen. Er meint nur jemanden, der bei einer Zug- oder Busfahrt oder beim Eintritt ins Theater oder ins Kino versucht, den Fahr- oder Eintrittspreis nicht zu bezahlen.

Ich muss gestehen, dass ich noch bis vor kurzem nicht gewusst habe, woher der Ausdruck „fare il portoghese“ stammt. Ich hatte bisher aber auch noch nie das Bedürfnis, das Geheimnis zu lüften. Neulich wollte ich es aber wissen, habe ein wenig im Internet recherchiert und eine Erklärung dafür gefunden. Dadurch wurde mir klar, dass ich diese Redewendung immer missverstanden hatte. Ich dachte nämlich, dass „fare il portoghese“ „so wie die Portugiesen handeln und sich verhalten“ bedeutete. Die richtige Bedeutung ist aber „so tun, als sei man Portugiese“.

Um den kleinen Unterschied verstehen zu können, muss man die ganze Geschichte kennen:
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts organisierte der portugiesische Botschafter beim Heiligen Stuhl in Rom Theatervorstellungen, zu denen die in Rom lebenden Portugiesen freien Zutritt hatten. Da versuchten auch einige Römer ins Theater zu gelangen ohne zu bezahlen, indem sie sich für Portugiesen ausgaben. So ist der Spruch „fare il portoghese“ entstanden. Diejenigen, die nicht zahlen wollten, waren also die Römer und nicht die Portugiesen!

Mit der Zeit begann man, mit dem Wort „portoghese“ auch diejenigen zu bezeichnen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, ohne eine Fahrkarte zu lösen, also Schwarzfahrer.

Im Italienischen gibt es mehrere Ausdrücke dieser Art. Einen davon kennt jedes italienische Kind, das Fußball spielt: „fare il veneziano“, d. h. den „Venezianer machen“ oder besser „sich wie ein Venezianer verhalten“. Damit gemeint ist ein ballverliebter Spieler, der den Ball zu spät oder nie abspielt. Kein Kind denkt aber dabei an die Tauben auf dem Piazza San Marco, den Canal Grande und die Gondeln!

In Einzelfällen kann in Italien die Verwendung solcher Ausdrücke auch mal vor Gericht landen. „Non faccia il napoletano!“ (frei übersetzt: Jetzt spielen Sie uns nicht den Neapolitaner!), hatte ein Richter einem Zeugen aus Neapel während einer Verhandlung gesagt, der ausweichend auf seine Fragen geantwortet hatte. Der Zeuge hatte geklagt aber den Prozess verloren. Das Revisionsgericht fand keine verleumderische Absicht in der Aufforderung, sich nicht wie ein Neapolitaner zu verhalten. Also, manchmal entscheiden nicht Sprachexperten, sondern die Gerichte über die Absichten, die hinter einer Äußerung stecken sollen. In diesem Fall, meiner Meinung nach, eine klare Fehlentscheidung. Ich persönlich finde, dass der Ausdruck „Non faccia il napoletano!“ durchaus mit diskriminierenden Vorurteilen behaftet und beleidigend ist, und glaube, dass es auch den italienischen Richtern nicht schaden würde, wenn sie über ein feineres Sprachgefühl verfügten.